Das richtige Mundstück

Um einen guten Sound auf dem Saxophon zu erzeugen, ist es wichtig, das passende Mundstück zu finden! Man kann sagen, dass sich die Klangfarbe eines Saxophons, wenn wir den menschlichen Faktor nicht berücksichtigen, aus 20% Blatt, 30% Saxophon und 50% Mundstück zusammensetzt.

Da das Mundstück die Schnittstelle zwischen Mensch und Saxophon darstellt, muss dieses beiden Parteien gleichermaßen gerecht werden. Kein ganz einfaches Unterfangen. Zumal der Markt eine nahezu unüberschaubare Anzahl verschiedener Typen zur Verfügung stellt. Allein für Altsaxophone findet man im Katalog der Firma „PMS“ 60 verschiedene Modelle. Wobei jeder einzelne Mundstückstyp in mindestens sechs unterschiedlichen Bahnöffnungen erhältlich ist.

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Stichwort Bahnöffnung

Der Begriff Bahnöffnung bezieht sich auf den Abstand, der zwischen dem Blatt und der Mundstücksspitze besteht.

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Für diesen Abstand gibt es die unterschiedlichsten Bezeichnungen. Hier kocht jeder Hersteller sein eigenes Süppchen. Es gibt Zahlenbezeichnungen, Buchstabenbezeichnungen, Zahlen mit Sternchen, Buchstaben mit Zahlen usw. Im allgemeinen kann man sagen, dass niedrige Zahlen bzw. die ersten Buchstaben des Alphabets geschlossenere Bahnen bedeuten. Je höher die Zahlen bzw. je weiter die Buchstaben im Alphabet fortschreiten, desto offener ist die Bahn. Bei einigen Herstellern bedeuten Sternchen hinter den Zahlen bzw. Sternchen hinter den Buchstaben Zwischengrößen.
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Worin liegt nun der Unterschied zwischen einer offeneren und einer geschlosseneren Bahnöffnung?

Bei einer weiten Bahnöffnung hat das Blatt viel Platz zum Schwingen, was dazu führt, dass man lauter spielen kann. Auch ist der Ton flexibler. Will sagen, dass man Töne besser ziehen bzw. beugen kann. Auf weiten Bahnöffnungen spielt man vergleichsweise leichtere Blätter. Starke Blätter erfordern in diesem Fall eine enorme Ansatzmuskulatur.
Der Tenorsaxophonist Ben Webster soll der Legende nach ein Otto-Link-Mundstück mit 10er Bahn und 5er Blättern gespielt haben. Eine mörderische Kombination. Angenehm spielbar wären bei dieser eher ungewöhnlichen Bahngröße Blattstärken von >1,5< bis >2,5<.

Hörbeispiel: Ben Webster

Das Hörbeispiel macht deutlich, wie gekonnt Ben Webster Tonbeugungen in seine Soli integrierte. Auch sein extremes Vibrato weist auf eine große Bahnöffnung hin.

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Anders verhält es sich bei einer geschlosseneren Bahnöffnung. Hier sind starke Blätter sogar von Nöten. Zu leichte Blätter würden vom Ansatzdruck schnell an der Mundstücksgegenwand kleben. Die Bahnöffnungsgröße steht also in Relation zur Blattstärke. Kleinere Bahnöffnungen klingen aber auch etwas schärfer und direkter. Die Ansprache des Instrumentes verbessert sich gegenüber einer weiten Bahn. Man sagt: >Das Horn geht besser los<
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Hörbeispiel: John Coltrane

John Coltrane bevorzugte kleinere Bahnöffnungen. Er spielte auch meistens ein Otto-Link, allerdings mit 5er Bahn und 4er Blatt, was ihm unter anderem ermöglichte, in wahrlich atemberaubenden Tempi zu spielen.

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Zusammenfassend kann man sagen, dass die Bahnöffnung zwar einen gewissen Einfluss auf den Klang eines Saxophons hat, aber nicht in erster Linie. Vielmehr geht es darum, den anatomischen Gegebenheiten (Mundhöhle, Ansatzmuskulatur) und den musikalischen Vorstellungen des Saxophonisten gerecht zu werden.
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Saxophonmundstücke werden aus den unterschiedlichsten Materialien hergestellt.
Bei  Metallmundstücken kommen Messing, Bronze, Stahl oder Speziallegierungen wie z.B. Silverite (Dukoff) zum Einsatz. Für Kunststoffmundstücke verwendet man Kautschuk (hard-rubber, ebonite) oder Plastik. Ein Metallmundstück würde bei exakt gleichen Innenausmaßen und Oberflächenstruktur ein klein wenig brillanter klingen als ein Kautschukmundstück.
Allerdings sollte man die  klangliche Eigenschaften der verschiedenen Materialien nicht überbewerten. Wichtiger ist die Tatsache, dass Metallmundstücke wegen der Härte des Materials äußerlich schlanker gebaut werden können, was bei großen Saxophonen (Tenor, Bariton) zum Vorteil sein kann. 
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Der Innenraum eines Mundstücks hat großen Einfluss auf seinen Sound. Unter anderem sind die Größe der Kammer und die Oberflächenstruktur des Einlaufes, der Kammer und des Halses von Bedeutung.

Zunächst mal: Wie kommt es überhaupt zu unterschiedlichen Klangfarben? Wenn wir einen Ton hören, egal, ob er nun von einem Saxophon, einer Gitarre oder von der menschlichen Stimme stammt, nehmen wir neben dem Grundton auch immer eine Reihe von Obertönen wahr. Je nachdem wie deutlich nun einige dieser Obertöne hervorstechen, verändert sich die Klangfarbe eines Tons. Ob wir nun einen Ton als dunkel und warm oder hell und scharf klingend wahrnehmen, hängt von der Verhältnismäßigkeit zwischen Grundton und seinen Obertönen ab.

Zurück zu den Mundstücken. Schaut man durch das hintere Ende eines Mundstücks, verschafft man sich einen Überblick von Größe und Beschaffenheit der Kammer.

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Wie auf der Grafik gut erkennbar, fällt die Kammer eines Otto-Link-Mundstücks recht groß aus. Einlauf, Kammer, Hals gehen gleitend ineinander über. Ein solches Mundstück produziert einen eher warmen und grundtonigen Sound. Anders dagegen ein Selmer-Mundstück. Das deutlich verringerte Kammervolumen und die daraus resultierenden Abrisskanten zwischen Kammer und Hals erzeugen einen obertonreicheren Sound. Derartige Mundstücke klingen heller. Außerdem verringert sich die Luftaufnahme des Instrumentes, was bedeutet, dass man Töne länger aushalten kann.
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Wie oben erwähnt, ist aber für den Klang eines Mundstücks auch die Oberflächenstruktur des Innenraums von Bedeutung. Wenn wir, wie oben beschrieben, ein Dukoff- und ein Lawton- Mundstück miteinander vergleichen, kann man feststellen dass diese sich in Form und Größen des Innenraums nicht sonderlich voneinander unterscheiden. Obwohl sich diese beiden Mundstücke vom Klangcharakter sehr ähneln (grundtoniger, voller Sound bei relativ hoher Luftaufnahme, vergleichbar mit Otto Link), klingt doch das Dukoff ein wenig brillanter.

Im Gegensatz zu einem Lowton-Mundstück ist das Innere eines Dukoff Mundstückes eher rau. Die Oberflächenstruktur wirkt beinahe porös. Wird nun ein Ton auf diesem Mundstück geblasen und Luft strömt durch das Innere, kommt es zu kleinen Verwirbelungen an der Materialoberfläche. Diese Luftverwirbelungen bewirken, dass der sich bildende Ton in seiner Entstehung geringfügig gestört wird, was dazu führt, dass der Grundton im Verhältnis zu seinen Obertönen etwas schwächer erklingt. Der Sound wird obertonreicher und somit heller und brillanter. Das Innere eines Lowton-Mundstücks ist spiegelglatt poliert. In diesem Mundstück kann sich der Ton nahezu ungehemmt entwickeln. Der Ton erklingt etwas grundtoniger und wärmer.
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Störungen im Luftstrom eines Mundstückes bewirken also einen obertonreicheren Sound. Mit diesem Phänomen kann man  auch ganz prima herumexperimentieren. Wenn man mit Hilfe einer Kerze ein Paar Tropfen Wachs auf die Gegenwand seines Mundstücks träufelt, erreicht man dadurch sofort einen helleren Klang. Ich habe einige Monate mit einem derart modifizierten Lowton-Metall-Mundstück gespielt, bis ich es gegen ein von Natur aus heller klingendes Otto-Link eintauschte.
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Faktor Mensch

Nach allem, was man hier bis jetzt über Mundstücke erfahren hat, könnte man zu dem Schluss kommen, dass man sich nur das eine oder andere Mundstück zulegen muss, um diesen oder jenen Sound zu erreichen oder womöglich wie der ein oder andere Saxophonist zu klingen. Dies ist leider keineswegs der Fall. Das Mundstück spielt im Vergleich zum Saxophonisten und dessen Klangvorstellungen eine eher untergeordnete Rolle. Die Anatomie der Mundhöhle des Spielers und dessen Ansatz, der sich im Laufe der Jahre immer weiter entwickelt, haben einen sehr viel größeren Einfluss auf den Sound eines Saxophons. Dies wird deutlich, wenn man verschiedene Aufnahmen aus unterschiedlichen Zeiträumen des Tenorsaxophonisten Michael Brecker (beispielsweise) miteinander vergleicht. Von 1968 bis heute hat Brecker acht Mal das Mundstück gewechselt. Trotzdem ist Breckers persönlicher Sound auf allen verglichenen Aufnahmen deutlich erkennbar.

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Wie wir daraus sehen können, kann ein Mundstück den Sound eines Saxophonisten nicht  vollkommen umkrempeln, sondern nur bestimmte Klangeigenschaften hervorheben.

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Welches Mundstück soll man sich also anschaffen?
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Wenn du gerade angefangen hast,
und dir zum Beispiel ein Yamaha Saxophon besorgt hast, dann bist du, sofern du das Horn neu im Geschäft gekauft hast, jetzt im Besitz eines Yamaha-4c-Mundstücks. Damit bist du gut bedient. Zumindest im ersten Jahr. Das Yamaha 4c ist nach meiner Erfahrung das ideale Einsteiger-Mundstück. Mit einem 2 1/2 er Blatt, zum Beispiel von Hemke oder Vandoren (Java), spricht es gut an und bringt dich schnell zu einem guten Sound. Außerdem ist es recht preiswert (zwischen 50 und 60 DM). Auch andere Hersteller(Vandoren, Yanagisawa, Selmer usw.) bieten für Anfänger geeignete Mundstücke an, sind allerdings meist deutlich teurer, aber nicht unbedingt besser.
Solltest du ein gebrauchtes oder sonstwie günstiges Saxophon gekauft haben, wäre im Bedarfsfall genauer zu klären, ob das dazugehörige Mundstück für dich geeignet ist. Bei gebrauchten Saxophonen wird in der Regel ein eher ungeliebtes Mundstück dazugelegt. Auch bei koreanischen Billigsaxophonen (die nicht schlecht seien müssen) findest du häufig eine äußerst fragwürdige Erstausstattung vor (z.B. Expression mit Rico-Mundstück. Ich kenne wirklich niemanden, der mit diesem Ding zurechtkommt). Frage deinen Lehrer oder einen kompetenten Saxophonisten, ob er/sie es für dich testet. Im Zweifelsfall – Yamaha!
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Wenn du schon eine Weile spielst (¾  bis 1 ½ Jahre)

hat sich deine Ansatzmuskulatur schon ausreichend entwickelt, und es wird Zeit, sich nach einem Mundstück umzusehen, welches deinen musikalischen Vorstellungen (Ton, Stilistik) bzw. anatomischen Voraussetzungen (Mundhöhlen- und Unterlippenbeschaffenheit) eher entspricht. Wie man sich vorstellen kann, ist es jetzt nicht mehr ohne weiteres möglich, einen Standart-Tipp abzuliefern. Vielmehr bist du nun selbst gefordert, dich im undurchsichtigen Dschungel der verschiedenen Hersteller und Bahnöffnungen zurecht zu finden.

Obwohl man sich auch eine kleine Auswahl an Mundstücken schicken lassen kann, ist es sinnvoll, sich sein Horn zu schnappen und einen gut sortierten und kompetenten Händler aufzusuchen. Nimm auch dein altes Mundstück, ein bisschen Notenmaterial und eine möglichst große Auswahl an Blättern mit. Es dürfen auch gern ein paar ungeliebte dabei sein. Zu harte bzw. zu weiche Blätter können sich auf anderen Mundstücken auf einmal als ideal erweisen.

Im Geschäft angekommen solltest du dem Verkäufer erstmal ein paar Informationen geben. Zum Beispiel, welche Saxophonisten deiner klanglichen Vorstellung am ehesten entsprechen bzw. welche Stilistik dich interessiert. Es kann auch gut sein, dass er wissen möchte, welches Saxophon-Fabrikat du benutzt. Nachdem ihr diese Fragen geklärt habt, wird er dir ein paar Mundstücke rüberschieben, die du dann in Ruhe in seiner Übungskabine ausprobieren kannst. In der Kabine würde ich erstmal ein paar Töne mit dem alten Mundstück spielen. Das gibt dir die Möglichkeit, dich warm zu spielen, und du kannst dir einen Eindruck über die Raumakustik verschaffen. Wenn du so weit bist, kannst du dein altes Mundstück beiseite legen. Lass aber das Blatt angeschraubt, damit du das Mundstück zum Vergleichen immer schnell zur Hand hast ohne lange rumzufummeln. Nun kannst du dir eins der neuen Mundstücke vornehmen. Zunächst musst du das passende Blatt finden. Hierfür schraubst du am besten erst mal den S-Bogen von deinem Saxophon und verbindest ihn mit dem neuen Mundstück. Du kannst nun, indem du mit der Hand das Mundstück umschließt und mit dem Daumen eines der Blätter an den Mundstückstisch drückst, einen Ton erzeugen (hatte ich erwähnt, dass hierfür die Blätter feucht sein müssen?). Auf diese Weise probierst du deine Blätter durch, bis du eins gefunden hast, das gut anspricht. Wenn du alles wieder zusammengebaut hast, kannst du anfangen, das Mundstück zu testen. Nimm dir reichlich Zeit dabei.

Wie ist dein erster Eindruck, gefällt dir der Sound? Klingt es wärmer oder brillanter im Vergleich zum alten Mundstück? Wie verhält sich das neue im oberen Register? Ist es ok vom Klang oder eher etwas zu schrill? Falls du schon ein paar Toptones (Flajolet-Töne) beherrschst, probiere aus, ob sie auch mit diesem Mundstück gelingen. Was macht das untere Register? Sprechen die tiefen Töne gut an? Wenn nicht, ist vielleicht das Blatt zu hart. Nimm dir ein etwas leichteres und versuche es noch mal.

Um die Eigenschaften des neuen Mundstücks noch besser  zu beurteilen, solltest du dein altes immer wieder zum Vergleich heranziehen. Sinnvoll wäre auch noch eine Tonleiterübung oder eins deiner Lieblingsstücke anzuspielen, um heraus zu finden, wie sich das Mundstück im normalen praktischen Gebrauch verhält. Besonderes Augenmerk liegt hierbei auf dem Registerwechsel.

Nachdem du das erste Mundstück so ausführlich getestet hast, kannst du dich dem nächsten widmen. Auf diese Weise wirst du schnell sehen, welches Mundstück in die engere Wahl kommt bzw. welches für dich ungeeignet ist.

Von Zeit zu Zeit wird sich der Verkäufer bei dir blicken lassen: „Na, schon was Passendes gefunden? Gut, dann nehme ich die schon mal wieder mit. Vielleicht das Mayer noch mal eine Nummer weiter?“

Am Ende werden sich zwei bis drei Mundstücke herauskristallisieren, die für dich in Frage kommen. Es ist nicht notwendig, dich im Geschäft für eines der in Frage kommenden zu entscheiden, denn es besteht die Möglichkeit, deine Auswahl für eine Woche mit nach Hause zu nehmen, um sie dort in Ruhe miteinander zu vergleichen (allerdings ist es üblich, erst mal alle zu bezahlen. Du solltest daher ausreichend Bargeld dabei haben). Falls du also noch unsicher bist, ist dies sicher die bessere Alternative, bevor du ein paar hundert Mark in den Sand setzt. Außerdem gibt dir das die Gelegenheit, die Mundstücke in deiner gewohnten (akustischen) Umgebung zu testen, und wenn du gar nicht mehr weiter weißt, zwischendurch mal eine Platte deines Lieblingssaxophonisten hören.

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Na denn, viel Spaß und Erfolg beim Suchen und Finden!
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© Jörn Vrampe
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